Der Erntewagen

 


 Der Erntewagen, 190 x 240 cm, Tempera auf Leinwand, 2023 

 

 

Der Erntewagen


Es ist ein Bild bei dem das Formale stark in die inhaltliche Ebene hineinwirkt. Hier gibt es ein nahezu durchgängiges Arbeitsschema – es geht um Verläufe und Gegensätze.

Schon bei dem Hintergrund, dem Raum dieser Szene, ist links ein Verlauf von oben hell nach unten dunkel, sowie von rechts hell nach links dunkler. Auf der rechten Seite verläuft es entgegengesetzt. Zwischen diesen Flächen gibt es in der Schnittstelle der Hand einen deutlichen Temperaturwechsel. Die gelbe Farbe wechselt von der warmen linken Seite zur kühlen rechten. Im Raum des Bildes herrscht also Wechselklima.

Über diesen Hintergrund kommt man an der Schnittstelle in den Vordergrund des Bildes. Die aufgerichteten, vielleicht betenden aber auch die großen Blätter haltenden Hände bilden das Gegenstück zur geballten Faust der Figur im Vordergrund. Diese Pranke hält die kleinen Blätter und nicht nur seitens der Größe, sondern auch räumlich wechseln die Blätter. Oben ist das rötliche Blatt vorne, unten jedoch das grünliche.

So ziehen sich Gegensatzpaare und Verläufe durch fast alle Elemente des Bildes. Das große helle Rad als Pendant zum dunklen kleinen. Die enge Rüstung mit Helm zum weiten Mantel und großem Hut. Aber auch der Farbwechsel zieht sich durch alle Gegenstände und Figuren. Es beginnt oben mit grüner Kleidung und rötlichen Hauttönen, wobei die unterste Figur genau anders herum angelegt ist. Die mittlere Figur gleicht alles in sich aus. So finden wir hier eine rötlich schimmernde Mütze mit grünlicher Jacke im jeweiligen Kontrast zur angrenzenden Figur. Den farblichen Widerhall finden wir in den Schalen des Wagens. Auch hier wechseln rote und grüne Schalen, jeweils immer auch die Farbtemperaturen.

Das alles bildet die formal, malerische Folie über die wir uns nun dem Inhalt nähern können. Es ist überall Wechsel angezeigt. Keinesfalls dramatisch, denn wir sehen alles recht eng um einen Mittelton herum gebildet. Hier machen sich drei recht unterschiedliche Typen auf den Weg. Sie ziehen einen Karren mit Schalen. Es sind wohl ihre eigenen Behälter. Ein kostbares, wenn auch nicht prunkvolles Gut. Dieser Wagen wird in Richtung Bildausgang zur rechten Seite hin gezogen. Sie sind nicht einfach losgelaufen. Sie sind gekleidet, gerüstet und geschützt. Doch liegt auch hier beides in ihrem Handeln – ein entschlossener Blick nach vorne, zum Bildbetrachter und auch zurück. Es ist die offene wie auch die geballte Hand, die steife wie auch die geschmeidige Bewegung. Aufbruch scheint angezeigt zu sein, nicht hektisch oder kopflos, aber der Veränderung folgend. Es ist Zeit aufzubrechen und die Ernte, das Hab und Gut, an eine andere Stelle zu bringen. Vielleicht auch um es zu verschenken, zu verstecken oder zu verkaufen. Was nehmen sie mit und wie gehen sie los? Eine Bild gewordene Frage ohne eindeutige Antwort.

 

 

 

Wie ist das Bild entstanden?

Nach einer ausführlichen Zeichnungsserie wurden zu Beginn des Septembers 2023 drei große Bilder begonnen. Sie setzen die Arbeiten von 2022 fort. Zwei der drei Bilder sollen wieder wie Bühneninszenierungen wirken. 

  • Klarer kompositorischer Aufbau

  • etwas hölzern, wie Puppentheater

  • narrativ ohne eine konkrete Geschichte zu erzählen

Eine Leinwand wurde selbst gebaut, mit Leinengewebe bespannt und mit hergestelltem Kreidegrund in mehreren Schichten vorbereitet. Danach wird eine Kohlezeichnung auf die mit gebrannter Siena grundierte Leinwand aufgebracht. Freihand und ohne Projektion. Danach beginnt die erste Malerei. Es ist die Untermalung mit Temperafarbe, wobei auch diese Farbe mit eigener Rezeptur selber hergestellt wird. Im ersten Schritt werden die groben hell / Dunkelwerte festgelegt. Danach gibt es immer wieder wechselnde Lasuren mit gebrannter Siena und Grüner Erde. Teile des Bildes werden weiter mit Weiß gehöht oder mit Schwarz gedunkelt. Nach mehreren Schichten ist die Untermalung angeschlossen.

 


 
Entwürfe und Kohlezeichnung auf Leinwand

 

 

Erntewagen, 190 x 240 cm, 1. Untermalung

 

 


Erntewagen, 190 x 240 cm, 4. und letzte Untermalung

 

Nach dieser Untermalung beginnt die Bearbeitung mit der eigentlichen Farbe. Auch hierzu wird Temperafarbe benutzt. Sie trocknet relativ schnell, trägt nicht stark auf und gibt eine matte Oberfläche. Über mehrere Wochen werden die einzelnen Bereiche immer wieder verfeinert und miteinander abgewogen. Durch die gestrichelte Malweise, die zum einen bei diesem Bild der Plastizität folgt  und zum anderen eine offene luftige Schichtung ermöglicht bekommt man feine Farbklänge gemalt. So kann man bis hin zur Fertigstellung immer noch das Gerüst der Untermalung nachvollzienen, aber in weiterem Abstand verschmilzt alles zu einer einheitlichen Oberfläche die an einen gewebten Teppich erinnert.

 


 

 

 

 

Technik

Wie schon oben erwähnt ist das Bild in den unteren Schichten mit Tempera und Öllasuren gemalt worden. Immer wieder wurden die Bilder nach dem Überzug der Lasur nach draußen gebracht um dort zu trocknen. Die Farbmalerei besteht dann nur noch aus Eitempera.



  

 

Noch ein kurzer Blick in die Kunstgeschichte 

Es fiel mir erst nach der vierten Bearbeitung auf, aber dann war es sehr deutlich. Die Personengruppe aus dem Erntewagen hätte aus der Maestà von Duccio stammen können. So tief verwurzelt scheint das Bild in meinem künstlerischem Gedächtnis zu sein. Es sind diese wechselnden Bewegungen obwohl alles nahezu statisch und unumstößlich aussieht.

 


 

 

Das gleiche wiederholt sich bei den Schalen. Die Anordnung der "Schalengruppe" erinnert auch an dieses Ducciobild. Hell / Dunkel, nach rechts / nach links gedreht, vorne /hinten, Unterschiedlichkeit der Oberfläche.

 



 

 

 

Im Jahr 2024 wird an dem Motiv weitergearbeitet. Mitte Februar entsteht eine Radierung. Es ist damit die erste Arbeit nach dem Offenen Atelier 2023 / 2024

 

 

 Aquatintaradierung 20 x 25 cm, 2024

 

Ausstellung:

Zum ersten Mal wird das Bild bei dem Offenen Atelier Ende 2023 gezeigt

Keine Kommentare: