Zyklus I
Rede

Inhalt

1 Prolog
2 Zur Technik des Holzschnittes
3 Wie kam es zu diesem Zyklus // wieso habe ich ihn gemacht?
4 Wieso dieser Ausstellungsort
5 Kunstgeschichtliche Einordnung
         5a Was ist das Alte und Bekannte des Kreuzwegs
         5b Wodurch unterscheidet sich mein Zyklus von anderen Kreuzwegen?
6 Eine Einführung in die Struktur des Zyklus
7 Meine Erkenntnis durch die Arbeit und der Grund der Veröffentlichung
8 Epilog



 
1 Prolog

Ich werde nicht umhin kommen nicht nur über Bilder zu sprechen, sondern auch über Bildinhalte. Und diese sind eben nicht nur formaler Natur. Doch ist es hier nicht meine Aufgabe zu predigen, sondern in eine Ausstellung einzuführen. Da es meine eigene Ausstellung ist, macht die Sache nicht leichter.


2 Zur Technik des Holzschnittes

Diese alte Technik fällt in den Bereich der Hochdruckverfahren. Es funktioniert ähnlich wie ein Stempel. Man nimmt ein Brett und schnitzt Teile heraus. Daraus entsteht der Druckstock. Danach trägt man mit einer Walze Farbe auf und legt ein Blatt Papier darauf. So werden die stehengebliebenen Bereiche des Holzes gedruckt. 


Früher wurde diese Technik benutzt um größere Serien zu drucken, um die Bilder zu vervielfältigen und zu verteilen. Man erreichte dadurch eine Breitenwirkung. In Zeiten von Fernsehen, E-Mail und WhatsApp hat sich dieser Sinn natürlich verloren. Heute nutzt man den Holzschnitt dafür um Einzelbilder herzustellen und die besondere klare oder expressive Wirkung des Druckes auszunutzen.
Meine Serie ist so ein Zwischending. Es gibt von jedem Motiv ca 35 Einzelblätter, die aber alle unterschiedliche Farben oder Druckintänsitäten haben. So wird ein Motiv vielfach variiert und bekommt jedes mal eine andere Wirkung, gar eine andere Bildaussage. Auf diese Weise erreiche ich eine Annäherung und Umhüllung des Inhaltes. 



Die einzelnen Blätter können als Originale angesehen werden und gelten streng genommen nicht als Seriendruck oder Auflagendruck.

 


3 Wie kam es zu diesem Zyklus // wieso habe ich ihn gemacht?

Nun ich werde nicht jünger und ein bestimmtes Alter lässt elementare Fragen deutlicher hervortreten. – Was möchtest Du auf jeden Fall noch machen? -  War solch eine Frage. Seit 20 Jahren möchte ich Bilder zu einem Kreuzweg machen. Dabei gibt es eine Ahnung darüber, dass sich hierin ein wesentlicher Schlüssel zum Leben verbirgt. Dem wollte ich nachgehen.
Mir wurde klar, dass der Kreuzweg etwas Volkstümliches ist - Eine Weisheit, die man sich in einfachen Bildern weiterreicht. Nichts avantgardistisch Überhöhtes, nichts distanziert Kulturelles, nichts eigentlich Kunstvolles im Sinne von künstlich. Und genau so etwas brauchte ich, weil meine Kunst sich zu stark ins formale hineinerstreckt hatte und nicht mehr nachvollzogen werden konnte. Ich wollte neben der bildnerischen Aufgabe wieder mehr lesbaren und deutbaren Inhalt in meinen Bildern haben.

Das war der erste Grund, der sich aus der eigenen künstlerischen Arbeit heraus ergab.

Ein zweiter Aspekt, der unmittelbar mit meiner Arbeit zusammenhängt, floß auch in diesen Zyklus mit ein. Meine Arbeit ergibt sich immer aus den Dingen die ich nicht kann. Nicht um sie später zu können, sondern um aus dem Ungelenken, dem Unbekannten einen schöpferischen Funken zu schlagen und eine Arbeit zu entwickeln. Mich interessiert eingeübtes Können in der Kunst nicht.
So gab dieser Zyklus für mich eine völlig neue Aufgabe. Bisher habe ich mich um Bilder bemüht, die ich noch nicht gesehen hatte – also Bildneuerfindungen. Bei diesem Zyklus verhält sich die Sache gänzlich anders. In jeder katholischen Kirche hängt ein solcher Kreuzweg. Es gibt unendlich viele Vergleichsbilder und Vergleichsansätze. Wenn man also etwas macht, steht man sofort in einem großen Kontext und muss sich dazu verhalten. Einerseits ist das toll – man hat eine große Bilderfamilie, andererseits möchte man sich abgrenzen ohne alles zu verwerfen. >> dazu später mehr.

Dieses sind zwei Gründe, die sich aus der eigenen Arbeit direkt ableiten. Einen dritten Grund möchte ich hinzufügen. Es ist die allgemeine gesellschaftliche Gemengelage, die sich in den letzten Jahren verschärft hat. Viel wird von Verteidigung alter Werte und Kultur gesprochen. Viel wird über fremde Kulturen und Religionen gehetzt. Es tauchen Klänge auf, die ich nicht für möglich gehalten hätte.
Es gab für mich eine Notwendigkeit darauf zu reagieren und dazu etwas zu sprechen. Die Passionsgeschichte ist gekennzeichnet von den rasant umschlagenden Stimmungen zwischen dem Palmsonntag und Emmaus. Hochgejubelt – verraten – verurteilt – verhöhnt – leiden lassen – sterben lassen – auferstehen – begegnen und wundern. Die Geschichte nimmt so vieles in den Blick und hat dadurch unsere europäische Kultur und unser Miteinander leben mitgeprägt.
Meinen Zyklus verstehe ich als kleinen Beitrag zum Innehalten im Gegensatz zur Besserwisserei, hetzendem Lospoltern und Verurteilen. Ich verstehe ihn nicht als ausgrenzendes Statement für das Christentum. Auch wenn die Passion Jesu und Ostern das Kernstück christlichen Glaubens ist.
Es ging mir dabei auch um etwas Allgemeines was über das eigene hinausweist. Als Künstler steht man nicht im Dienst an sich selber.


4 Wieso dieser Ausstellungsort



In meiner Arbeit ergeben sich die Dinge im Zusammenwirken und im Zusammenhang. Zu Begin der Arbeit war es nicht klar, ob ich diesen Zyklus veröffentlichen werde. Es war eine selbst gestellte Aufgabe zwischen privat, beruflich notwendig und öffentlich vielleicht interessant – aber nicht auf der großen Bühne. Ebenso wurde mir klar, dass die Arbeit nicht in ein Ausstellungshaus gehört, sondern in eine Kirche. Und es sollte eine Kirche sein, zu der ich einen Bezug habe > also ein persönlicher und öffentlicher kleiner Kirchenraum. Dafür blieb dann nur noch die Kirche in Kräwinklerbrücke über. Hier sind meine Kirchenwurzeln der Kindheit. Hier haben meine Eltern geheiratet, hier wurden meine Schwester und ich getauft. Und von hieraus zogen wir vor fast 50 Jahren nach Radevormwald, weil damals hier die Wuppersperre gebaut wurde. Wir wohnten unten an der alten Wupperbrücke. Mittlerweile wohne ich seit fast 30 Jahren in Bonn, aber Kräwinklerbrücke geht als Ort mit durchs Leben.
Umso entsetzter bin ich heute, dass ausgerechnet diese Veranstaltung wohl die letzte sein wird, die in dieser Kirche stattfindet.




5 Kunstgeschichtliche Einordnung

Nun möchte ich aber zu dem Bilderzyklus kommen. Es gibt in der Kunstgeschichte viele Vorbilder. Große und bedeutende Kunstwerke wurden in diesem Zusammenhang geschaffen. Denken Sie an den Isenheimer Altar, die Kreuzesabnahme von Rubens oder die Grafikzyklen von Dürer. Der Vergleich mit diesen Werken wäre völlig absurd. Es ist eher die normale Kirchenausstattung, die Bildergeschichten der einfachen Dorfkirchen, die hier als Paten herangezogen werden. Dort gibt es immer wieder diesen Kreuzweg mit den 14 Stationen. Und diese 14 tradierten Kreuzwegstationen habe ich auch beibehalten. In jeder Kirche sind sie gleich, haben das gleiche Motiv, das gleiche Thema. Von der ersten Station, der Verurteilung, zur vierten Station wo Jesus seiner Mutter begegnet, den drei Zusammenbrüchen Jesu in Station drei, sechs und acht bis hin zur Kreuzigung der Station elf und der Grablegung in Station 14.
Geändert wurde es dann durch eine Erweiterung. Der Ostermorgen, das Abendmahl und die Geschichte von Emmaus gehört eigentlich nicht mehr dazu.
Nach meiner Vorstellung sind diese Ereignisse aber unmittelbar mit dem Kreuzweg verbunden. Palmsonntag gehört da eigentlich auch noch mit hinein. Dadurch wird erst die große Fallhöhe und die neue Aufrichtung (Auferstehung) begreifbar und erlebbar.
In den bekannten Kreuzwegen wird der Weg als Einheit begriffen. Das kann man formal daran erkennen, das es einheitliche Formate, eine einheitliche Bildsprache in Figurendarstellung, Farbigkeit und Expressivität gibt.  Mein Zyklus nimmt die einzelnen Stationen in den Blick. Jede Station – Abendmahl, die Begegnung mit Veronika, Ostern oder das Gasthaus in Emmaus wurden für sich betrachtet und auf Wahrhaftigkeit hin befragt. Die Bildsprache wechselt von abstrakt bis realistisch, von dem Schwerpunkt der Expressivität zum Licht bis hin zur schlichten Bilderbuchillustration. So wird der Zyklus ein Stückwerk, ein beschwerlicher Holperweg – auch im bildnerischen Erfassen und Begreifen.
Des Weiteren geht es in meinem Zyklus nicht um eine Behauptung, sondern vielmehr um eine Befragung auf die es nur eine sehr begrenzte Antwort gibt. Wie bereits gesagt gibt es von allen Stationen mehrere Blätter und konsequenterweise hätte ich etwa acht Bilder einer Station nebeneinander zeigen müssen. So müssen sie sich das selber innerhalb der Ausstellung zusammensuchen  - in den Kirchenbänken, den ausgelegten Büchern und der Broschüre. Immer wieder finden Sie andere Bildwirkungen zu dem gleichen Ereignis.


6 Eine Einführung in die Struktur des Zyklus

Der ganze Zyklus wird vorne und hinten durch eine Tischszene eingefasst. Dadurch wollte ich den Fokus auf den privaten, intimen Aspekt des Geschehens lenken. Zwischen Abendmahl und Emmaus liegt der Weg nach Golgatha mit den 14 Kreuzwegstationen und Ostern.
Bildnerisch habe ich diese Stationen zunächst einmal einzeln in den Blick genommen, insbesondere von der Abstraktion und der figürlichen Formensprache her gesehen. Es gibt z.B. keine durchlaufende erkennbare Jesusfigur. Zum anderen gibt es aber immer wieder Querverweise zu anderen Stationen z.B. die Sonne oder die Hände. Der Kreuzweg wurde wie ein Bogen konzipiert. Von der Morgendunkelheit zur Mittagshitze bis hin zur Grabesdunkelheit. 



  
Er folgt in etwa einem Tagesverlauf, aber auch einer emotionalen Befindlichkeit. Das leuchtend gelbe Osterbild steht diesem Kreuzweg komplementär gegenüber.
In diesem großen Bogen über dem gesamten Weg ist ein kleiner Bogen eingeschrieben. Er erstreckt sich über die drei Fälle, also das dreimalige Zusammenbrechen Jesu steigert sich von Station zu Station. 


 


Die stark abstrahierte Figur wankt in Station drei, schaukelt in Station sieben und bleibt niedergestreckt und auseinander geschlagen in Station neun liegen.
So kommt man vielleicht in die Struktur der 17 Bilder hinein.



7 Meine Erkenntnis durch die Arbeit und der Grund der Veröffentlichung

Gerne wird der Kreuzweg dazu benutzt den Weg Jesu mit dem eigenen Weg oder Lebensweg zu vergleichen. Zunächst einmal ist es aber der Weg Jesu – ein Ausnahmeweg, ein wohl vorherbestimmter Weg. Es ist sein Weg!
… und daraus wurde in der Volksweisheit ein nachfühlbarer schmerzhafter Menschenweg. Zu fünf Stationen gibt es keine Bibelstellen. Sie wurden eingefügt und wohl allgemein für wichtig befunden. In diesem Zusammenhang scheint es mir um eine Erkenntnis zum Leiden eines Menschen im allgemeinen zu handeln. Hier wird Jesus zum Stellvertreter für jedes einzelne Leid. Bei der Beschäftigung mit den Stationen gewann ich die Einsicht, dass hier drei unterschiedlichen Situationen des Leidens beschrieben werden.

1 Das zugefügte Leid. Die zu Unrecht ausgeführten Taten, die das Leid nach sich ziehen – verurteilen, ans Kreuz schlagen, die Kleider verzocken, sterben lassen. Gar das Verzweifeln an Gott selber. Hier wird der Blick auf die Täter gelenkt.

2 Das Mitleid – hier in den Begegnungen verdeutlicht. Das Mitleid der Mutter, die Hilfe von Simon, das Weinen der Frauen, das Trocknen des Schweißes, das würdige zu Grabe tragen. In den Bildern dazu finden Sie oftmals einen gestalteten Beziehungsraum. Hierbei geht es um ein Miteinander – ein Mittragen der Last des Anderen.



  

3 Das dritte Leid finden wir in den drei Zusammenbrüchen. Hier ist Jesus mit seinem Leiden ganz alleine und bei sich. Es geht um sein Wanken, Fallen, Liegenbleiben und wieder Aufstehen. Es geht um seine Kraft und seinen Willen, den Weg zu gehen.
Für mich sind das die persönlichsten Stationen.


8 Epilog

Letztendlich war es für mich eine lange und schwierige Aufgabe diesem Zyklus eine Gestalt zu geben und selbst darin eine Gestalt und Sprache zu finden. Der Zyklus ist vielschichtig! Es ist meine Annäherung zu diesem Thema in einer Zeit, wo viele Werte dieser Kirche und dieser Kultur angezweifelt werden. Zu der Kultur der frohen Osterbotschaft gehört unmittelbar das Leid. Zum Leben gehört das Sterben. Beide bekommen im Miteinander Kontur und Form. So kommt aber das Leben als ganzes in den Blick. Und für mich ist das ein wesentlicher Bestandteil von Kunst.








 







Musik zur Vernissage:


C.M. Windor - Cantabile aus Synphonie Nr. 6 op. 42  https://www.youtube.com/watch?v=HJ-eeWkIzfM

Meine Hoffung und meine Freude  https://www.youtube.com/watch?v=Gk7uyClzxNo

M. Schütz - Straight Ahead  https://www.youtube.com/watch?v=jRgZ50AvBEo




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