Zur Vernissage kamen über 100 Gäste

Es gab eine Begrüßung durch den Vorsitzenden des Honnefer Kunstvereins Herrn Werner Osterbrink und ein Grußwort des stellvertretenden Bürgermeisters Herrn Mung.
Die Einführung sprach Frau Dr. Heidrun Wirth und für den festlichen musikalischen Rahmen sorgte Frau Christine Frohn. 

Musik der Vernissage 





28. Februar 2016 um 11 Uhr

Dunkles Licht

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Jürgen Middelmann

Im

Kuntraum Bad Honnef

*

Jürgen Middelmann ist in Bonn und darüber hinaus bekannt, als Maler, aber auch als Organisator im Kurfürstlichen Gärtnerhaus und als einer, der in Kursen lehrt und lernt.

Mit seinem Werk ist es wie mit einem Fluss. Es scheint ein in sich zusammenhängendes Ganzes zu sein und doch sind seine einzelnen Arbeiten wie die Fluten in einem Fluss immer wieder neu. Es ist  so, wie der Philosoph Heraklit einmal gesagt hat: Nie steigt jemand in denselben Fluss. Allerdings betrifft das nicht nur den Künstler in seiner Kunst, sondern auch wir selbst sind als Betrachter immer wieder anders und blicken mit immer anderen Augen auf die Kunst.

Es ist dieses Kohärente und doch an keiner Stelle Abgestandene, das bei Jürgen Middelmann das Staunen und das Staunenswerte seiner Kunst ausmacht,  einer Kunst, in der aus simplen, gleichmäßigen, völlig unspektakulären Pinselstrichen große Bildwände wachsen, wo nicht ein Strich, nicht ein Pinselzug dem anderen gleicht, obwohl jeder aus dem anderen hervorzugehen scheint und seinen eigenen unverrückbaren Platz einnimmt.

„Den Pinsel mit Farbe und mit Wasser füllen und ihn abstreifen….irgendwie muss man doch anfangen“ sagt der Künstler, wenn er sein eigener Beobachter ist und sieht, wie Strukturen   auf seinen selbst gebauten und grundierten Leinwänden allmählich zu Kompositionen werden, halb beabsichtigt, halb unbewusst. „Ich muss nur gucken, wie ich ansetze, damit es nicht zu gleichmäßig wird“.   

Die Farben selbst fertigt er aus Eitempera, Leinöl und  Pigmenten an. Und so scheint ihn dieses Tun, in dem alles unterlassen wird, was ihn ablenken kann, zu immer neuen Bildern mit einer fein gewebten sinnlichen Präsenz zu führen, zugleich aber auch zu einer immer bewussteren Reflexion über das alte Thema der Malerei. Dabei geht es um Flächen oder Linien, also Malerei oder Zeichnung, um Bewegung oder Stille und immer auch um das Licht.

Er hat Vorgänger, beispielsweise in dem großen Amerikaner Barnett Newman oder auch Mark Rothko, denen beiden formaler Reduktionismus und zugleich ein dezidierter Purismus bescheinigt wird. Unter Reduktionismus versteht man eine Rückführung auf das Einfachste und unter dezidiertem Purismus ist eine Authentizität gemeint, die bis in den Charakter geht, das heißt, es ist eine Kunst, die allein aus der Authentizität des Künstlers heraus etwas Geistiges oder Spirituelles zum Ausdruck bringt. Für Rothko war das Bild eine Offenbarung, „eine unerwartete, nie dagewesene Befriedigung eines seit Ewigkeit bekannten Verlangens“, wie er sagte. Kunst verstand Rothko (übrigens wie schon Kandinsky) als Abbild des Geistigen, für Rothko als einzige Möglichkeit, den Sinn von Bewegung und Ruhe zu verdeutlichen. Beide Künstler, Newman und Rothko waren aber auch der Ansicht, dass diese Wirkung gar nicht mit Worten zu beschreiben sei und eher erspürt als beschrieben werden kann.
 

Auch ich kann mich hier der Bildaussage nur annähern. Und stelle nur eben fest, da ich Jürgen Middelmann schon einige Jahre begleiten kann, dass ihn diese bewusste Rücknahme mehr und mehr zu den Grundlagen führt. Es ist der Verzicht auf erzählende Bildgeschichten ebenso wie der Verzicht auf die Farbe, ebenso auf eine Verwendung von Materialien oder Fundstücken, und man bemerkt staunend, dass aus dem Weniger ein Mehr, „ ein Weit-Mehr“ wird.  Eine machtvolle Suggestion geht von diesen Arbeiten aus. Bildtitel wie „überstrahlt“, „Lichteinfall“ oder auch „Chor“ deuten darauf hin. Zugleich entsteht eine fein gewebte sinnliche Präsenz, fest verbunden mit einer immer bewussteren Reflexion über das eigene Tun und doch auch zugleich über das alte Thema der Malerei. 

Und wir sehen, dass sich die Anmutungen für uns als Betrachter verändern, je näher wir an das Bild herantreten. Räumliche Illusionen, aus der Ferne eindrucksvoll sichtbar, werden aufgelöst, besonders gut zu erleben beim Zugehen auf das Zick-Zackbild im Außenfenster, in dieser Ausstellung hier im schönen Kunstraum Bad Honnef schon von der Straße aus zu sehen und zu testen. Dabei ist nicht dieses Zick-Zack eigentlich das Wunderbare, sondern es ist dieser Riss in der Bildebene, der das Licht thematisiert.  Wie Stalagmiten und Stalagtiten wachsen demgegenüber die Dunkelheiten aufeinander zu  und man fühlt sich an eben diese Millionen Jahre alten Zeiteinheiten erinnert. Dabei wird unwichtig, was das Hängende ist und was das Stehende.

Eine Aura entsteht aus dem Spiel von Licht und Dunkelheit. Sie kommt einem Wehen von Farbe gleich, einem Durchfluten, in dem es niemals ein Gleiches gibt.  Wir sehen im Vergleich, wie viele verschiedene Helligkeiten es gibt. Technisch ist es ein Unterschied, ob wie bei den etwas älteren Bildern, der Pinselzug nur in eine Richtung verläuft oder bei den Neueren in senkrechter und waagerechter Richtung.

Titel wie „Chor“ oder „Stapel“ deuten aber auch darauf hin, dass das uralte Thema, dass das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile, hier wieder aufgenommen wird. Wenn wir auf die einzelnen Pinselzüge blicken, können wir dieser Frage nachgehen, wir können sie – auch unter dem Ausstellungstitel „Dunkles Licht“ metaphorisch sehen, vielleicht im Spiegel unseres eigenen Lebens oder auch im Spiegel unseres so sehr gefährdeten Europas. Das Ganze und seine Teile ist logisch nie ganz zu fassen und die Teile sind schwer abzugrenzen. Besonders aber, wenn so etwas wie ein auratische Einheit daraus wird, dann ist das Einzelne nicht mehr herauszulösen und Sie spüren, dass das „dunkle Licht“ hier ins Mystische übergeht und für uns unergründlich wird. Solch ein Erlebnis hatte der Künstler als er die Maestà von Duccio di Buonsegna in Siena sah, wo alle Apostel individuelle Züge hatten, eine stille Bewegung von dem Bild ausging und doch insgesamt alles wie Bausteine für eine Gesamtkonzeption war.



Das Körperliche ist auch für den nicht gegenständlich arbeitenden Jürgen Middelmann  durchaus mit enthalten. Wenn er die Arme ausspannt, erreicht er die großen Formate in der Breite und auch in der Höhe, so bleibt es bei einem menschlichen Maß und er sagt: „Für mich sind die großen Formate wichtig….oder die ganz kleinen“, fährt er fort.

„Die kleinen“,  die Sie hier in einer Reihe von Holzschnitten sehen,, so sagt er, „haben für mich etwas Geistiges. Ich muss hier fokussieren wie bei einer Ikone“. Obwohl auch hier die Farben unbunt sind, haben wir doch das Gefühl, viele Farben, geradezu einen Reichtum an Farben zu sehen. Reich sind die Nuancen und Abtönungen, und doch auch greift hier der Reduktionismus, denn dieser Reichtum wird mit viel weniger Farben erreicht (diesmal sind es Linoldruckfarben) als wir vermuten. Das liegt daran, dass die Farben in raffinierter Weise ineinander verschränkt sind und so beim Drucken ein überaus reiches Farbspiel entstehen lassen. Im Mittelpunkt steht aber auch hier wieder die Leuchtkraft, die der Künstler oft durch eine elliptische Formgebung ins Bild holt. Und da der Druckstock bei den vielfältigen Druckvorgängen Zug um Zug und Druck für Druck auf dem gleichen Blatt durch Abtragen der hervorstehenden Teile immer mehr zerschnitten wird, ist er zu guter Letzt verbraucht. Damit ist ein Nachdruck unmöglich. Diese Serie von 7 Blättern wurde hier in einer Auflage von zehn Stück gedruckt.

Neugierig sind wir aber auch, wie es nun weiter geht in seinem Werk. Ich habe ihn gefragt und er hat gemeint: „Eine unglaublich wichtige Klärung“  liege nun mit diesen Arbeiten hinter ihm. Sie bestand darin festzustellen, „mit wie wenig kommst du aus und was ist dir wichtig“ und er fügt hinzu: „Eigentlich bin ich jetzt so weit, dass ich das Gebiet abgesteckt habe, in dem ich arbeiten will.“

Wir sind gespannt, aber heute freuen wir uns erst einmal über das was wir hier sehen dürfen.

Heidrun Wirth    


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ulrike sagt: eine wunderbar vielschichtig und zugleich einfühlsam verständlich formulierte Eröffnungsrede von Frau Dr. Wirth - danke für die Möglichkeit sie hier zu lesen.
Die Ergänzung mit den Bildbeispielen insbesondere die Gegenüberstellung von Duccio und Middelmann macht vieles "auf einen Blick" deutlich.In beiden Werken ist eine feine Differenzierung zu entdecken - das Einzelne ist erkennbar von Bedeutung - und doch fügt es sich wie aus einem Guss in das Gesamte ein. Bei dieser starken Verkleinerung im Foto wird zudem der (die Details) übergreifende Lichteinfall schön sichtbar.

ATELIER MIDDELMANN hat gesagt…

.. und noch mal zu Duccio: in der kleinen Abbildung wird die strukturelle Bildanlage und dann auch die Verwandschaft zwischen den Bildern deutlich. Die horizontale Gliederung und das Dreieck im Zentrum

Monika Zawadzka hat gesagt…

Super wpis. Pozdrawiam i czekam na więcej.

ATELIER MIDDELMANN hat gesagt…

Nun, im Moment bin ich mit anderen, kleineren Bildern beschäftigt, aber dies Ausstellung in Honnef war schon etwas Besonderes!