Ausstellung im Künstlerforum Remagen 8.11. - 6.12.2015
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 15 - 18 Uhr oder nach Vereinbarung
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 15 - 18 Uhr oder nach Vereinbarung
Jürgen Middelmann Malerei und Zeichnung
Brigitte Wüster Keramische Objekte
Vorraum
Raum 1
Raum 2
Raum 4
Raum 5
Eröffnungsrede zur Ausstellung von Heidrum Wirth:
Sonntag, 8. November 2015 um 15 Uhr
Jürgen Middelmann und Brigitte Wüster im Künstlerforum Remagen
Sie sehen schon an der
Einladung, wie sich hier zwei künstlerische
Positionen treffen, sich unterscheiden
und doch zugleich zu ergänzen scheinen.
Beide setzen auf Reduzierung, beide ringen um Strukturen und beide loten
die Hell-Dunkelwerte aus. Dem räumlich „handfesten“ Ausgreifen der Plastiken
von Brigitte Wüster steht ein eher raumillusionistisches
Sich-Entziehen bei Jürgen Middelmann gegenüber. Und so führen uns beide zu den Grundlagen
der bildenden Kunst.
Was sehen wir?
Ob Jürgen Middelmann Pinsel oder Bleistift
verwendet, ob also Malerei oder Zeichnungen entstehen – die Techniken sind unterschiedlich
und doch ist das Anliegen das gleiche: immer geht es um das Licht. Dabei räumt
der Künstler ohne weiteres ein, dass es dabei auch zu einer „Art Schnittmenge zwischen Zeichnung und
Malerei“ kommt, denn wir können doch
nicht so genau sagen, ob ein einziger Zug aus der Hand Malerei ist oder Zeichnung, nur weil das
Auftragsgerät verändert ist. Wir merken hier aber schon, dass es um die Frage geht,
nicht wie viel, sondern wie wenig kann ich einsetzen, um ein Optimum zu erreichen.
Das liegt schon im Verzicht auf die Farbe und natürlich mehr noch in der
Beschränkung des Duktus auf eine
gleichmäßige Strichführung. Es geht also um konkrete Grundlagen
künstlerischen Tuns an. Es geht um konkrete Kunst und doch sieht man, wie
schnell die Kunst über das eigentlich Konkrete hinauswächst.
Jürgen Middelmann sucht das
Licht wie schon viele Künstler vor ihm.
Es gibt eine berühmte Radierung von Rembrandt,
die aus Schwarz-Weiß besteht und die Leben erhält durch das von oben einfallende
Licht in die Schreibstube eines Gelehrten. Und dieses Licht bestimmt das Bild
und komponiert es. Die Gegensätze aus
strahlender von oben einfallender Helligkeit und verschattetem Dunkel (hier mit Totenkopf) wischen die Farben
gleichsam hinweg und doch entsteht daraus keine defizitäre Situation. Im Gegenteil es
ergibt sich etwas Imaginäres, vielleicht sogar Mystisches, auf dem Blatt mit
dem Titel „der sogenannte Dr.Faust“ um 1652,
natürlich noch erhöht durch magisch kryptische alchemistische Zeichen
(die übrigens bis heute noch nicht
entziffert sind)
In der Tempera-Malerei entstehen Farbabstufungen nur durch den
Pinseldruck und die Farbsättigung des Pinsels. Wenn sich bis zu 20 Pinselzüge übereinander
lagern, verdichtet sich das Schwarz und wir stellen fest im Weiß sind es eben
Null Pinselzüge, das ist –ganz konkret betrachtet- schon alles.
In den Zeichnungen ergibt
sich derselbe Effekt durch die Dichte der Bleistiftstriche, die zu tieferen Schwarztönen oder helleren Übergängen führen.
Das Licht kann rieseln oder
wie ein Keil vorstoßen, es kann sich wie durch einen Trichter fallen lassen, es
kann wie die Gischt am Meeressaum im kleinstem Gekräusel aufeinander zustoßen, so wie es die
unzähligen Pinselstriche tatsächlich getan haben bei ihrem Aufeinander- oder
Aneinanderstoßen oder eben bei der Nichtberührung des Aneinanderstoßens.
Das Licht bestimmt den Raum. Manchmal glaubt man, es durch weiche textile
Bahnen hindurch leuchten zu sehen oder denkt an das Licht, das den Vorhang im
Tempel zerreißt, und es wundert nicht, dass diese Bilder in der Dämmerung fast
noch geheimnisvoller wirken als bei voller Spot-Bestrahlung. Zugleich ist das aber
keineswegs mystisch, sondern eben absolut konkret. Doch wir können sagen, das
Konkrete wird bis zu jenem Punkt getrieben, wo es mystisch wirkt. Obwohl unser
Künstler der Moderne im Gegensatz
zu Rembrandt nichts Figuratives darstellt,
wird er doch zum „Geisterbeschwörer“ wie
Rembrandt mit dem Dr. Faust.
Als Maler fängt er auch nicht so das Licht ein wie die
Fotografen, beispielsweise der Schwarz-Weiß-Fotograf Till Rachold mit seiner
Retro-Analog-Kamera.
Es ist wie ein auferlegtes
Gebot, bei den klaren, einfachsten Grundformen zu bleiben, dem Pinselzug, dem
einfachen Bleistiftstrich. Ein zugrunde liegender Minimalismus und doch
zugleich ein tieferes Ringen um ein Bild als man sich das so gemeinhin
vorstellt. „Es ist anstrengend“, sagt der Meister. „Ich fange an und dann reagiere ich, um vielleicht in der
Mitte etwas frei zu lassen“. Konturlos ist nicht strukturlos, im
Gegenteil.
Die keramischen Arbeiten von Brigitte Wüster korrespondieren mit diesen Bildern. Auch diese nichtfigurativen Werke können wir
der konkreten Kunst zuschlagen. Die Plastiken sind reduziert auf die unbunten
Grau-Töne aus Terra Nigra (der dunkle
Ton wurde schon seit der Römerzeit verwendet), reduziert aber auch auf klare stereometrischen Formen Im Vergleich wird
auch augenscheinlich: beide gehen von gleichmäßigen Strukturen aus, mit
denen die Flächen –mit der Arbeit der Hände- gestaltet werden.
Brigitte Wüster, eben erst
aus Abu Dhabi zurückgekehrt, hat sich mit der afrikanischen Lehmbauweise
beschäftigt. Beeindruckt habe sie, so schrieb sie mir, die dortige Bauweise von
Hütten und Mauern mittels handgroßer Lehmklumpen in Aufbautechnik. Die
Aufbautechnik ist ja eigentlich auch schon ein reduzierter Vorgang. Schon in
der späten Steinzeit wurde dieser handbetätigte Aufbau von Keramik per Hand
durch die Erfindung der Töpferscheibe überholt.
Brigitte Wüster geht von der „keramischen Grundform“ des Zylinders
aus. Wir sehen wiederum, in welch feinen Nuancen sich auch hier das Licht bricht, auf der rau strukturierten
Innen- oder auch Außenfläche des Zylinders.
Sie sagt: „Ich suchte zunächst
nach Ausdrucksvarianten der Aufbautechnik zum Thema `Wachstum` und ließ die
einzelnen Elemente nach oben hin kleiner werden, so dass sie eine Art
„verlangsamtes Wachstum“ wiedergeben. Sie stellte fest: „ Je nachdem, ob man
einen Zylinder ringweise oder in einer durchgehenden Bewegung baut, entsteht
ein statischer oder dynamischer Eindruck“.
„Bei den aktuellen Arbeiten habe ich für mich
darüber nachgedacht“, so sagte sie, „wie ich dem Aufeinanderzugehen/ (und
dabei) bis zu einem gewissen Grad dem Eins werden zweier Personen eine
plastische Gestalt geben kann. Der Titel, den eine meiner Abschlussarbeiten des
Masterstudiums trägt: „Zwei Formen des
Seins" könnte man verallgemeinert
zu "Formen des Seins" als Überthema all meiner Arbeiten sehen. Sei es
durch Gegenüberstellung von Alternativen oder Prozessen (wie im Fall einer im
Wasser sich auflösenden Pyramiden-Form). Eine Gruppe aus drei Zylindern möchte
ich direkt im Künstlerforum in Remagen aufbauen - sie ist dann nicht gebrannt
und bei der Eröffnung auch noch feucht. Ich hatte vor vielen Jahren schon ein
solches Element (allerdings aus weißem Ton) gebaut und wollte immer schon
einmal darauf zurückkommen. Da die Formen sehr schnell und grob aufgebaut
werden - im Gegensatz zu den anderen in der Ausstellung zu sehenden, wäre das
eine in meinen Augen wichtige Ergänzung.“
Und wir entdecken auch hier eine Korrespondenz der beiden Künstler: beide
gehen sie vor, indem sie unendlich viele ähnlichste, stets handwerklich; das heißt, mit der
eigenen menschlichen Hand erstellte Elemente in rhythmische Ordnungen bringen.
Reduktion und
Rückbesinnung hängen dabei eng zusammen, Rückbesinnung auf Metaphern der Zeitlosigkeit.
Hierbei wird dieser wichtige Faktor deutlich, den wir nun in unserer
Grundlagenbetrachtung noch gar nicht berücksichtigt haben: die Zeit, das heißt,
sie vergeht verschieden schnell, abhängig vom Schaffensprozess.
Vielleicht müsste man für
die Kunstkritik einmal eine Formel finden,
(eine Art Relativitätstheorie der
kreativen Zeit), die etwas über den Zusammenhang zwischen Konzeption und Einsatz
der technischen Mittel sagt, auch darüber, wie leicht oder wie schwer es sich
ein Künstler macht in Hinblick auf seine Zielsetzung. Doch ist eine solche
Formel schwer zu finden, denn es müssten dafür auch Konzentration, Aufrichtigkeit
und Stringenz gemessen werden, und die spüren wir doch eben immer nur intuitiv, aber wir spüren sie sehr.
Heidrun Wirth
Abgesehen von dem viel zu großen Vergleich mit Rembrandt und dem Meistertitel kann ich meine Arbeit schon in der Rede wiederfinden.
2 Kommentare:
Ulrike sagt: wie schön, dass man hier noch einmal durch die Ausstellungsräume wandeln und die Eröffnungsrede mit den Bildzitat ansehen kann. Gerne wäre ich noch länger / öfter in der Ausstellung gewesen. In Remagen war ein ganz außergewöhnlich schönes Zusammenspiel von Raum, Bild, Bildwerk - von Bildraum, (Ober)fläche, Bildtiefe, Licht und "nicht-Licht" zu entdecken.
Ja das war in der Tat eine besonders geglückte Ausstellung und Kombination. Die Ausstellungsstücke sprachen miteinander - wie selbstverständlich.
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