Jürgen Middelmann scheint nach einem Plan, ja, einer Ordnung zu arbeiten; er baut seine Bilder annähernd, wenn man die Werkreihe 2007 – 2010 mit dem Oberbegriff „Organic System“ betrachtet.

Seine „Ölbilder“, ob auf Leinwand, Holz oder Pappe, entwickeln sich für den Betrachter wie harmonische Fortsetzungen. Dies hat auch Gültigkeit in den Holzschnitten.
Verstärkend kommt hinzu, dass J. Middelmann die Variation der Motive, über die Wirkung unterschiedlich großer Bildformate zu steigern weiß.

Eine wesentliche Rolle in seinem System spielt die Miterregung eines Sinnesorgans bei Reizung eines anderen. Seine Arbeiten sind auch als akustische Lesart zu sehen.

 Die Arbeit „Bewegte Ruhe“, ich zitiere den Künstler, „verfügt über einen breiten tiefen Sound“, synchrone Töne bündeln die Information bis zum Fassen der Form. Ein Blau/Türkisband schiebt sich dominant vor den Hintergrund, gemalt, als wäre es vom Untergrund beleuchtet; lichte Farbtöne, die man entfernt von Hockneys Poolbildern kennt. Dieser Klang, manchmal ist es ein Klingen, dieses Mithören und Sehen ist es, was der Künstler in seine Arbeiten einzubinden und zu vermitteln sucht.
Dies auszuprobieren gelingt recht gut im Pressepavillon, über die Reihungen der kleineren Formate.




Durchdringung, ist nicht allein ein Titel.
Durchdringung gilt neben den Farben auch für die zeitliche Dimension, die Zeit und die Gelassenheit, die das Wachsen seiner Bilder benötigt, so wie es die Natur mit dem Wachsen organischen Lebens vorlebt. 

Hier ist die Arbeit Zeitfenster, exemplarisch.
Aufgelöste kleinteilige Formen, angeordnet in einem 2-teiligen Vorhang, leiten den Blick bis in die Tiefe, was der Blick durchs Fenster ohnehin impliziert. Middelmann malt die Problematik der sichtbaren Abstraktion, und verstärkt dies durch Farbenziehen und Ineinanderlaufen. Alles scheint im Fluss und wird durchdrungen und erreicht über die Farbfächerungen den freien Leinwandkern.
Die Wahrnehmung richtet sich auf die Einmischung der vertikalen Linien, dies regt ganz unterschiedliche Rezeptoren im Gehirn an. Die Seh- und Lesegewohnheiten im europäischen Raum sind eher waagerecht bestimmt, im Gegensatz zum asiatischen Raum, der die Vertikale betont. M. integriert die gesamte Erbinformation, die DNA der Arbeit, in die senkrechten Verläufe.

Dem liegen 15 – 20-malige und mehr Bearbeitungen zugrunde.
Doch Middelmann hat seine Batterie von der Natur aufgeladen. Ähnlich dem Blick durch die Lupe sieht man sanfte Formen von Ellipsen, Scheiben und Zellstrukturen, wie auch gepixelt wirkende geometrische Formen. Einige Arbeiten erinnern an die Sicht aus der Vogelperspektive; das Land scheint in Mosaike aufgeteilt zu sein.

Beginnend über Gelb/Grün Farbmischungen, darüber heftige Kontraste meidend, führt der Künstler weiter in rebellischere satte Farbbereiche, die Lebendigkeit und agiles Wachstum suggerieren.
Dies wirkt in den fortlaufenden mikroskopisch vergrösserten Details. Die damit einhergehende sukzessive Unschärfe der Formenumrisse betont die Dezentralisation von Bildinhalten seiner Werkreihe.
Das Motiv steht still, nur die Malerei bewegt sich. Ein permanentes Fließen von Intuition.

Für Jürgen Middelmanns „Heureka!“ war u.a. die Auseinandersetzung mit Werken klassischer Moderner, etwa Paul Klee bestimmend. Da dessen Planung und Poesie und das Postulat Farbe vor Form, unbedingt stimmig zu seinem Schaffen sind. Ebenso der leidenschaftliche Ausspruch Klees: „Die Farbe hat mich! Sie hat mich für immer!“
Middelmann demonstriert leise seine Wahlverwandtschaft zu Claude Monets Seerosenteichen. Allerdings liegt der Arbeit Middelmanns von vornherein präzisierte konsequente Unschärfe der Form zugrunde, was der jahrelang extrem kurzsichtige Monet nach einer Augenoperation, in seiner letzten Schaffensphase, erneut sehen lernen musste.

Auch für J.M. besteht eine Faszination darin, dass ähnliche Motive bei wechselndem Licht, etwa in der Dämmerung, mit in der Tiefe leuchtenden Farbaufträgen, Emotionen und Differenzen erlebbarer machen.
Kräftiger Farbauftrag, annähernd Impasto, dick aufgetragene Ölfarbe mit ausgeprägter Oberflächenstruktur, erinnern an die Haut von Bäumen, an zum Reißen gespannte Rinde, etwa der Birke oder Platane. Zum Abreißen auffordernd, mit der gleichen Konsequenz, nämlich der möglichen Zerstörung organischen Lebens. 


Die farbig stark minimierten Holzschnitte; sie hängen mit den anfangs angesprochenen kleineren Öl/Leinwandarbeiten, im Pressepavillon, leben von der sinfonischen Wirkung ihrer Tonwerte. Auch hier sein herrschendes Prinzip; das Fehlen flotter Virtuosität. Behutsam pflügt der Künstler seine Linien.

Zitat:„durch das Schöpfen aus Unsicherheit und der Sehnsucht zum Risiko“ bricht Middelmann sein systematisches Vorgehen für bildnerische Wirkungen auf.

Ein solch „erarbeitetes Risiko“ mag die Arbeit „Rosa und Lang“ sein, Ihnen über die Einladung bereits vertraut. Dies Bild fällt aus den vertrauten Strukturen/Rastern und hat wohl folgerichtig den leicht obskuren Titel verdient. Es ist gegenständlicher. Ursprünglich war die Arbeit horizontal angelegt, doch wurde die anwachsende Flächenbearbeitung dem Künstler zu dominant, zu brachial. Hinzu kam, dass über den diffusen weichen Bildgrund, dem Farbklangteppich, eine progressive Farbwahl den Maler mit einer Flut von Pink und Rosa-Rot-Tönen konfrontierte. Das Organische, das Aufbrechen, Empor-Schiessen und Wachsen einer irgendwie gearteten Saat, das annähernd Phallische war geboren, um im Bild und in einer Assoziation zu bleiben. 

Rede zur Vernissage, Marise Schreiber, 51503 Rösrath


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