AbGrund
AbGrund, 240x190 cm, Tempera auf Leinwand, 2023 / 2024
AbGrund habe ich das Bild genannt. Gemeint ist nicht der düstere, auswegslose, beklemmende Abgrund, aber es ist auch alles andere als ein sicherer Ort. Die schönen verführerischen Farben verweisen auf ein anderes Thema. Es ist die Verlockung. Die Verlockung sich in Situationen zu begeben, die eine Gefahr, eine Enge in sich bergen. Am rechten Bildrand habe ich einen von außen hineinschauenden Beobachter gestellt. Ein Kunstkopf einer anderen Kultur, oder vielleicht ist es auch die Kunst selber, die auf das merkwürdige Geschehenn blickt und es beobachtend zur Kenntnis nimmt.
Zwei Szenen spielen sich im Bild ab und beschreiben die Fallhöhe. Der eine stürzt vom oberen Bildrand und die anderen hocken zusammen am unteren Ende des Bildes in einer Art Schacht. Beiden Szenen berühren sich nicht, aber ihre Enden überschneiden sich minimal. Ebenso werden sie durch ein Detail, eine Art Wedel formal miteinander verbunden. In der oberen Situation wirkt es wie ein Segel, im unteren Teil wie ein kraftloses oder noch kräftiges Gewächs. Der jeweilige Griff kann unterschiedlicher nicht sein. Bei der stürzenden Figur liegt das egel ganz locker in der Hand wobei die untere kräftige Hand zupackt und die kleinen Pflanzen zu erdrücken scheint. Die obere Figur trägt ein eng anliegendes Kleidungsstück, ähnlich eines Kostüms. Füße und Hände treten heraus und sind ungeschützt. Der Kopf scheint verfremdet. Ein Mischwesen mit menschlichen Kennzeichen und doch nicht so ganz von dieser Welt. Die Verläufe der Farbfelder und die Säulen auf der linken Seite beschreiben den Fall und die Fallhöhe. Hier wird ein Farbraum gezeigt, der Gegensätzliches verbindet und nebeneinander stehen lässt. Hellere neben dunklerer, wärmere neben kühlerer Farbe. Ein Wechselbad der Empfindungen wird über den Hintergrund des Bildraums gespannt. Diese Eindrücke scheinen durch die scharfen Zahnräder zermalen zu werden und gelangen über einen imaginären Abtransport durch die Schalen. Es sind gefüllte Schalen - man sieht es an dem angedeuteten Volumen. Im oberen Teil des Bildes waren sie noch flächig und standen aufgereiht in einer Ablage. So entsteht die erste Leserichtung des Bildes von oben nach unten und entlang des Kopfprofils.
Im unteren Bildteil treffen wir auf eine zweite Szene. Da wo es oben bodenlose Weite gab, finden wir unten bedrückende Enge. So entsteht ein extremes Gegensatzpaar. Man versucht hier im Schacht den gegebenen Rahmen zu sprengen, doch bei aller kraftvollen Aktion wirkt es unbeholfen wie eine ausgehöhlte Geste. Im Mittelpunkt sehen wir einen Mann mit tief sitzender Kappe, der seinen Arm in die Höhe ragt. Rechts neben ihm versteckt sich eine Vertreter der Kirche mit spitzem Hut wie ein Kirchturm. Seine violetten Farben verweisen auf die Passion. Das Gegenstück bildet die Fantasiefigur auf der anderen Seite. Dann gibt es noch den kleinen grünen Schmallippigen. Nicht unbedingt sympatisch wirken die vier Figuren - eher wie überzeichnete Spielpuppen eines Kindertheaters. Hier sind es nicht die Kaufleute, Ritter oder Roboter der anderen Bilder, sondern Volksvertreter die als klischeehafte Prototypen erscheinen.
Rot ist die Grundfarbe des Bildes. Und zwar ein Rot in all seinen Fassetten. Vom tiefen Dunkelrot des warmen Unheimlichen bis zum freudigen, lebenslustigen Leuchtendrot, vom matt, eingetrockneten Blutrot bis zum erdigen Braunrot dehnt sich die Farbpalette. Das Violett / Gelbgrün des Beobachters steht dem gegenüber und taucht punktuell im Bild auf. So wird das Bild keuz und quer verschoben, im Kreis gedreht und in die Diagonale gezogen. Es gibt keine Ruhe und keinen sicheren Platz. Das Bild schwingt immer wieder auf der Kippe. Vielleicht so wie alle 5 bisherigen Bilder. Sie sind tragisch und komisch, aber ohne Witz. Sie erzählen ohne Anfang und Ende. Eindeutiges sucht man vergebens. Immer taucht etwas Unzeitgemäßes auf ohne wirklich Alt zu wirken. Das ist ein Feld für eigene Räume und Assoziationen.
Entstehung des Bildes
Mit mehreren großformatigen Zeichnungen startete die Entwicklung des Bildes im Sommer 2023. sh. Post vom 8.8.2023