Dunkles Licht
Die 2013 begonnene, offene
Werkreihe „Dunkles Licht“ von Jürgen Middelmann thematisiert mit Temperabildern
auf Leinwand, Holzschnitten und Zeichnungen das Licht in seinen
unterschiedlichen Erscheinungsformen. Diese beinhalten Hell- und Dunkelwerte, die
von einer Dämmerung anmutenden Dunkelheit bis hin zu einer Überstrahlung
reichen. Mit sehr reduzierten, gerade verlaufenden und aneinandergereihten (Pinsel)Strichen
in unterschiedlicher Hell/Dunkelausprägung und Dichte modelliert Middelmann hierbei
mit minimalen Mitteln Volumina auf der Bildoberfläche. Die von Hand gezogenen
Linien bilden architektonische Formen heraus, die nicht eine starre, geplante
Linienführung wiederspiegeln, sondern vielmehr die Wärme und Lebendigkeit einer
organischen Bewegung. Dank dieser stets menschlichen Dimension wird das
Verhältnis von Licht und Schattenbereichen so auch für den Betrachter zu einer
visuellen Erfahrung, anhand derer Middelmann sowohl seinen inhaltlichen Ansatz
als auch seine Vorstellung zur bildnerischen Arbeit verdeutlicht.
Die bewusste Reduktion der
Bildmittel, der Materialien und des Duktus',
das Zurücknehmen der eigenen Person und der Verzicht auf Farbe sind Middelmanns
Antwort auf eine Infragestellung der Grundlagen der Malerei und besonders aber auf
die Frage, wie wenig es braucht, um ein für ihn gültiges Ergebnis zu erreichen.
Das angestrebte Ziel hierbei ist es, die räumliche Illusion wieder einzuführen,
ohne sich des Rückgriffes auf die Zentralperspektive im Sinne der Renaissance
zu bedienen. Die geraden Striche erlauben es Middelmann, den Raum als flache
Tiefe gemäß des Verständnisses Cézannes zu gestalten, indem sie auf die
Darstellung einer Fläche verweisen und gleichzeitig durch ihr Hell und Dunkel
die illusionistische Form herausbilden. Dank formaler Mittel schlagen die
Bilder so eine Brücke zwischen altem und modernen Verständnis von Raum bzw. der
räumlichen Illusion und zeigen durch ihre Konzentration auf ein Minimum, auf
das wirklich Wesentliche aber doch immerwährend Gültige Middelmanns
individuelle Lösung auf.
Ohne Farbe und lediglich in
der Abstufung von Schwarz und Weiß, in unterschiedlicher Stärke und Dichte, von
deckend bis transparent, setzt er Pinselstriche nebeneinander und übereinander
und lässt aus der Bildebene eine Form, ein imaginiertes Volumen erscheinen.
Dies ist nur zum Teil planbar und ergibt sich während des Arbeitsprozesses aus sich
selbst heraus; die Striche gewinnen an Ausdruck und verlaufen als organische
Spuren, die dank Ihrer Zusammensetzung einen Bereich eröffnen, in dem Stofflichkeit,
ja Körperlichkeit mit der ihr eigenen Wirkung möglich wird.
Das Zusammenspiel von
senkrechten und waagerechten Linien erzeugt eine eigene Bildebene, in der mit
Hilfe von Kontrasten eine Höhen- und Tiefenwirkung entsteht. Innerhalb der seit
2013 entstandenen Werke lassen sich diesbezüglich mehrere Entwicklungsschritte und
Arbeitsbereiche ausmachen, die die Vielfalt dieses Ansatzes verdeutlichen:

Hierbei verlangt
das Verhältnis zwischen Hell und Dunkel nach einem Suchen und Finden, es lässt
die Volumina, die es herausbildet, nicht sofort fassbar werden.





Denn auch wenn die großformatigen
Leinwände aber auch die Holzschnitte und Zeichnungen für den Betrachter zunächst
wie eine räumliche Illusion anmuten mögen, so laden die differenzierte
Auseinandersetzung mit Hell und Dunkel in unterschiedlicher Gewichtung und die
daraus resultierenden Fragen den Betrachter doch schnell zu einer
Auseinandersetzung mit dem eigenen Standpunkt ein. Trotz ihrer Größe sind die
Gemälde dank des stets menschlichen Ausmaßes des künstlerischen Duktus' immer von ihrer Körperlichkeit her
zugänglich und fordern dazu auf, das nicht gänzlich Fassbare, das Mystische in
den Werken von Jürgen Middelmann zu suchen. Er verfolgt das Ziel, das Formale
so weit zu treiben, bis das Mystische erscheint. Er will dem Konkreten zur
Sprache verhelfen und das Nüchterne zu einem Erscheinenden werden lassen. Sein Interesse
besteht darin, das Vordergründige, das allzu Kontrollierte und zu Gewollte
bewusst auszuschließen und so in diesen Werken mit Hilfe von dunklem Licht ein
Eigenleben entstehen zu lassen. Die Position, die er damit einnimmt, ist
unabhängig von Zeit, Kultur oder Ort lesbar. Sie gibt sich bewusst ungebunden
und vertritt eine kontemplativ suchende Haltung, die sich allen lauten,
schnellen und modischen Tendenzen verweigert aber es dennoch versteht, den
Betrachter für sich zu gewinnen.
Text: Marie-Christine
Fritsch (M.A.) Kunsthistorikerin
Fotos: Franz Heinbach
Fotos: Franz Heinbach
1 Kommentar:
Ulrike sagt: Eine bemerkenswerte Einführung - klar und differenziert zugleich. Ganz fantastisch finde ich, wie selbstverständlich Cezanne und Middelmann plötzlich nebeneinanderstehen und der Umgang mit Fläche und Raum in einem Satz "auf den Punkt" gebracht werden. Chapeau!!!
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