Gruppenausstellung Genius Loci in Warschau, 2017





Der Katalog zur Ausstellung




GENIUS LOCI – oder von der Grenzheit aller Gegenstände
Die Präsentation der Werke von Künstler/innen aus Deutschland und Polen eröffnet den Blick auf die aktuellen Positionen in der Kunst, im vorliegenden Fall unter dem Patronat des „Genius loci“, d.h. eines Schlüsselbegriffs. Der Titel verweist zweifellos auf einen „Schutzgeist“, auf das Zeugnis von Jahrhunderten und auf Bereiche einer überpersönlichen Wirklichkeit mit der Beibehaltung seiner Identität heute und zukünftig. Seine flüchtige Anwesenheit erscheint im Umkreis von Begriffen, die mit immateriellen Werten zusammenhängen. Genius und Daimon symbolisieren Fruchtbarkeit und Potenz, sie steuern das Schicksal und bilden die Persönlichkeit. „Der Schutzgeist des Ortes“ welcher hier „Genius loci“ heißt, kann eine Quelle der Inspiration und Orientierung sein. Dazu gehört gleichermaßen die Auseinandersetzung mit Inhalten, Architektur und Landschaft. „Die Gegenstände haben keine Identität – sie haben eine Grenzheit“ (Symotiuk, Wittgenstein, Lévinias). Wer über die Bedingungen der Wahrheitsfindung entscheidet, wie es z.B. Künstler tun, der öffnet die Horizonte von Dilemma und Paradoxie, der verstärkt die künstlerische Sensibilität und nimmt Einfluss auf die Lebensqualität der Gesellschaft.
Orte, die mit kreativer Atmosphäre ausgestattet sind: Region, Stadt, Haus, Garten, Kultobjekte, Symbole und Zeichen, liefern uns viele Beweise dafür, dass „Genius loci“ wertvolle Bedingung dar-stellt, um existent zu sein. Allerdings ohne Garantie, weil er selbst Änderungen unterliegt und hört manchmal auf zu existieren. Es gibt außerdem keinen deutlichen Übergang zwischen dem Verstehen des Geheimnisses und der Eindeutigkeit des Geschehens. Warschau, Siedlce, Bonn, Remagen sind ein Mikroorganismus vieler gegenseitiger Verweise und des darin einwohnenden Geheimnisses, welche unwiederholbare Szenarien herausbilden, in denen das wirkliche Leben sich ereignet. Dank ihrer geografischen Lange und territorialen Unterschiede gehören sie heute zu den privilegierten Orten. Hier wurden Beethoven, Maria Skłodowska-Curie, Ossip Mandelstamm geboren. Hier kann man vor El Grecos Gemälde „Die Ekstase“ kontemplieren oder in der restaurierten Brückenruine eine Fotoausstellung besichtigen, wo der Lebenseinsatz der Alliierten am Rhein im finalen Zeitpunkt des II Weltkrieges dokumentiert wird.
Unsere ungewöhnliche Begegnung im Zentrum für Kulturpromotion in Warschau, in der Galerie „Przestrzeń Sztuk” (Kunstraum) in Siedlce und im Künstlerforum Bonn hat demzufolge die Eigenschaft eines symbolischen Arrangements, und die Gestaltung partnerschaftlicher Kooperation ist ein Rahmen, in dem ununterbrochen die kreative Zusammenarbeit und ein ganzes Geflecht von Inhalten dominieren. Diese Überlegungen bestärken uns im Glauben, dass „Genius loci“ Einfluss auf die Atmosphäre- und Landschaftsgestaltung einnimmt, als auch das Gedächtnis an Orte, Ereignisse, Menschen und Bestrebungen bewahrt – seine schützende Funktion ist das Merkmal für die Kultur der Region.
Wir, alle 13 Protagonisten, sind einzig die Initiatoren von Ideen und verfügen nicht über den Komfort der Sicherheit. Unser aktueller Diskurs, Biografie, Statement und Ausstellungstätigkeit sind fragmentarisch. Sie beruhen auf der Tatsache, dass wir uns in das Thema einfühlen, in das Potenzial der Kunst, jedoch einer Kunst im Licht globaler Krise der Werte. Wir fühlen uns dennoch ermächtigt zur künstlerischen Arbeit auf dem Grund europäischer Kultur. Der Gegenstand unserer ganzer Aufmerksamkeit ist das Lob der kleinen Dinge – so vermag zu lauten der letzte Akkord, der die Kataloginhalte belichtet – die Suche nach dem modus extendi. Dies ist keine Anwendung, die man leicht aus dem Internet herunterladen kann. Allen Teilnehmer/innen wünschen wir im Höchstmaß die persönliche Inspirationsquelle und Erfüllung zu finden, die es zulassen, eindringlich und kreativ die Potenziale unserer Zeit umsetzen zu können.

Alexandra Hinz-Wladyka & Stefan Zajonz
Bonn, November 2016


Keine Kommentare: